Auf dieser Seite bewahren wir alle Beiträge zum Thema AKTUELLES auf.


Januar 2022

Die Niepkuhlen nördlich der Heyenbaumstraße im Winter und Frühjahr 2021. Foto: Dr. Julia Obladen-Kauder
Die Niepkuhlen nördlich der Heyenbaumstraße im Winter und Frühjahr 2021. Foto: Dr. Julia Obladen-Kauder

Die Niepkuhlen sind Relikte eines urgeschichtlichen, mäandrierenden Rheinnebenarmes, die sich heute auf Krefelder Stadtgebiet als eine Reihung von zum Teil lang gestreckten Teichen in Bockum, Verberg und Traar zeigen und sich in nördlich/nordwestlicher Richtung in den Kreis Wesel fortsetzen. Je nach Lage haben die jeweiligen Tümpel auch unterschiedliche Namen, wie Holzmoers, Meurs, Enger-Kull, Zwingenbergs-Kull oder Benger-Kull. Die ursprüngliche Flussrinne ist nachgewiesenermaßen mindestens rund 13.000 Jahre alt, da sich in ihren Sedimenten Materialablagerungen des gut datierten Ausbruchs des Laacher Vulkans nachweisen lassen. Im Laufe der Jahrtausende verlandete das einstige Fließgewässer und füllte sich mit pflanzlichen Resten. Die durch das abgestorbene organische Material entstandenen Torfschichten wurde ab der frühen Neuzeit als Brennmaterial abgebaut, was zu einer Wiedervernässung der verlandeten Bereiche führte.

In der jüngsten Neuzeit mussten immer wieder Teile der Niepkuhlen ausgebaggert sowie Wasser künstlich zugeführt werden, um ein erneutes Trockenfallen zu verhindern. Eine fortschreitende Verlandung war in den letzten Jahrzehnten ab Mitte der 1970er besonders durch einen starken Wasserverbrauch der Industrie zu beobachten. Auch merklich trockene, niederschlagsarme Perioden wie 2018-2020 hatten gravierende Auswirkungen auf den Wasserspiegel. Zwischen 2007 bis 2020 leitete die LEG regelmäßig jährlich Wasser in einer Größenordnung von rund 1,5 Millionen Kubikmeter in die Krefelder Kuhlen ein. Hierdurch sollte der Grundwasserspiegel einiger Dykgebiete wegen der Folgen für die Neubauten reguliert werden, die ohne eine abdichtende Kellerwanne errichtet worden waren. Nachdem dort bauliche Nachbesserungen erfolgt waren, wurden die Pumpen mit fatalen Folgen für die Feuchtbiotope, die bereits unter der zunehmenden Klimaveränderung leiden, im Jahre 2020 abgestellt. Seit November 2021 laufen sie nun vorläufig wieder und es besteht Hoffnung, dass eine dauerhafte Lösung zur Rettung der Niepkuhlen gefunden werden wird.

Ein glückliches und mit Gesundheit gesegnetes Jahr 2022 wünscht allen Leserinnen und Lesern herzlich
Dr. Julia Obladen-Kauder

Literatur
Albert Steeger, Die Entstehung der niederrheinischen Seen und Teiche. In: Rheinische Heimatpflege 12, 1940, S. 34-46;
Ders., Über Torfgewinnung am Niederrhein. In: Die Heimat, Jg. 20,
S. 86-90;
Oskar Burghardt, Geologie und Landschaft. In: Krefeld. Die Geschichte der Stadt, Bd. 1 (Krefeld 1998) Seite 31-35;
Hans Wilhelm Quitzow u. Ernst Schraetz, 100 Jahre Krefelder Stadtwald. In: die Heimat, Jg. 70, S. 13-32.

Tranchotkarte, ca. 1805 (Ausschnitt)
Tranchotkarte, ca. 1805 (Ausschnitt)
Hydrologisch-morphologische Übersichtskarte von Albert Steeger, 1940 (Ausschnitt)
Hydrologisch-morphologische Übersichtskarte von Albert Steeger, 1940 (Ausschnitt)

November 2021

Vor 110 Jahren wurde am 8. November 1911 der Kinderbrunnen – genannt auch Märchenbrunnen in Anlehnung an „Schwesterchen und Brüderchen“ der Gebrüder Grimm – an der Hohenzollernstraße feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Gestiftet hatte ihn seinerzeit der Krefelder Seidenfabrikant und Handelskammerpräsident Friedrich Wilhelm Deussen (1842-1930). Geschaffen wurde er von Bildhauer Franz Bramstädt (1877-1919).

Der Kinderbrunnen an der Hohenzollernstraße bei Tag (links) und bei Nacht (rechts).
Der Kinderbrunnen an der Hohenzollernstraße bei Tag (links) und bei Nacht (rechts). Fotos: Dr. Julia Obladen-Kauder

Dargestellt sind zwei Kinder, die mit geflochtenen Blumenkränzen einander zugewandt auf einer Bank sitzen. Es handelt sich um eine so genannte Freiplastik, d. h. Vorder-, Seiten- und Rückenansichten sind durchmodelliert, wenn auch durch die Heckeneinfassung nicht vollkommen rundum einsehbar. Im Sockel befindet sich oberhalb des Wasserbeckens eine wasserspeiende Maske. Der inzwischen restaurierte Brunnen ist besonders abends bei Dunkelheit einen Spaziergang wert, da er in hellem Kunstlicht erstrahlt.
Franz Bramstädt war zwischen 1901 und 1908 Student an der Düsseldorfer Kunstakademie und unter anderem befreundet mit Wilhelm Lehmbruck. Die letzten neun Jahre seines Lebens wohnte er als Nachfolger von Jan Thorn Prikker im so genannten Künstlerhaus an der Hüttenallee. Der Märchenbrunnen gewinnt heute an Bedeutung, weil nahezu alle anderen Kunstwerke Bramstädts beim Bombenangriff der Alliierten auf Krefeld im Jahr 1943 vernichtet worden sind. Eine weitere erhaltene Skulptur ist der Trauernde Engel aus dem Jahre 1915 auf dem Friedhof an der Heydeckstraße.
Eine besinnliche Adventszeit wünscht allen Leserinnen und Lesern
Dr. Julia Obladen-Kauder

Literatur
Rudolf Perpéet, Der Kunstbildhauermeister Bramstädt, die Heimat 47, 1976, S. 52-56.

Oktober 2021

Ein Name, eine Persönlichkeit, ein Mensch, an den man sich in Krefeld gar nicht oft genug erinnern kann, lautet Dr. Isidor Hirschfelder. Dem bekannten Kinderarzt, der hier praktiziert und seine Spuren hinterlassen hat, haben so manche Vorfahren hiesiger Bürgerinnen und Bürger ihre Gesundung bzw. Gesundheit zu verdanken.

Säuglingsheim und Dr. Isidor Hirschfelder im Jahre 1935 (aus: Die Heimat, Jg. 85, Seite 195-196)
Säuglingsheim und Dr. Isidor Hirschfelder im Jahre 1935 (aus: Die Heimat, Jg. 85, Seite 195-196)

Geboren wurde der bekannte Kinderfacharzt am 11. März 1878 in württembergischen Rexingen bei Horb am Neckar als ältester Sohn eines jüdischen Viehhändlers. Dort besuchte er auch die Volksschule. Nachdem er am Gymnasium in Tübingen das Abitur bestanden hatte, studierte Isidor Hirschfelder in Freiburg, München und Berlin Medizin.
1906 nahm er seine Tätigkeit als Kinderarzt in Krefeld auf und kehrte auch wieder hierhin zurück, nachdem er als Oberstabsarzt im Ersten Weltkrieg seinen Dienst verrichtet hatte. Bereits bekannt als Förderer und Unterstützer des 1908 aus der Taufe gehobenen „Vereins für Säuglingsfürsorge in Crefeld e. V.“ – später umbenannt in: „Krefelder Frauen-Verein für Wöchnerinnen- und Säuglingsfürsorge“ – war er noch im ersten Kriegsjahr mit anderen „Mitstreitern“ beteiligt an der Gründung des Säuglingsheims in der Petersstraße 71, das am 2. August 1914 eröffnet wurde. Seinen unermüdlichen Einsatz in diesem Hause leistete er über mehr als 20 Jahre rein ehrenamtlich. 1918 gründete er eine Schule für Säuglingspflege, die von Beginn an sehr gut besucht wurde. Seine private Kinderarztpraxis befand sich am Ostwall 148, wo sich heute auch ein so genannter „Stolperstein“ befindet.

Nachdem Isidor Hirschfelder schon unverzüglich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 seinen Posten als Krefelder Schularzt verloren hatte und ihm auch die Kassenzulassung entzogen worden war, folgte im Dezember des Jahres das Arbeitsverbot im Säuglingsheim und schon bald darauf der Verlust des Doktortitels. Am 29. Oktober 1941 entzog der 63jährige, äußerst verdienstvolle Krefelder Mitbürger sich seiner Deportation nach Riga durch Freitod. Sein Grabstein Auf dem neuen jüdischen Friedhof bezeichnet ihn eindrücklich und beinahe schlicht als „Freund und Helfer“. Noch wichtiger aber ist, dass die Krefelderinnen und Krefelder bis heute das Andenken an den verdienstvollen Menschen und Mediziner mit ihren Erzählungen in hohen Ehren halten und damit die Erinnerung wachhalten!

Dr. Julia Obladen-Kauder

Literatur
Ernst Köppen, Isidor Hirschfelder. Arzt und Helfer der Kinder. In: Die Heimat Jg. 43, 1972, S. 173-174;
Marianne Gatzke, Ein nicht alltäglicher Frauenverein. In: Die Heimat Jg. 44, 1973, S. 95-99;
Wilhelm Kosenow, Krefelds Kinderklinik. In: Die Heimat Jg. 63, 1992, S. 66-76;
Christoph Schürmann, Dr. Isidor Hirschfelder. In: Die Heimat Jg. 85, 2014, S. 195-201.

September 2021

Evertsturm

Im September 1821 wurde der angeblich größte und schönste Turm der Stadtbefestigung, der Evertsturm, zum Abriss freigegeben. Er war als Halbturm im Westen der Krefelder Altstadt in die alte Stadtmauer eingebunden. Davor lag der Stadtgraben. Sein damaliger Standort befindet sich an der Einmündung der Evertsstraße in die Wiedenhofstraße. Seinen Namen erhielt er von der alteingesessenen Patrizierfamilie Everts.

Standort des Evertsturmes an der Einmündung zur Wiedenhofstraße | Bildurheber: Julia Obladen-Kauder
Standort des Evertsturmes an der Einmündung zur Wiedenhofstraße | Bildurheber: Julia Obladen-Kauder

Der Turm fiel der neuen Stadtplanung mit ihren Erweiterungen zum Opfer und wich einem Straßendurchbruch bzw. einer Verlängerung der Evertsstraße in Richtung Schwanenmarkt. Deren Anwohner waren für den Abbruch von Turm und umgebender Stadtmauer verantwortlich. Diesbezüglich hatte Landrat Cappe in einem Gutachten an die Stadtverwaltung festgestellt: „Wenn der Evertsturm beibehalten werden soll, bedarf er bedeutender Reparaturkosten. M. E. ist der Turm … auf Abbruch zu verkaufen …“. So geschah es dann auch: Das Steinmaterial ging für geschätzte 60 Thaler in andere Hände über.
Eine Brücke, die in der Verlängerung der Evertsstraße über den Stadtraben in Richtung Innenstadt führen sollte und für deren Bau ebenfalls die Anwohner zuständig waren, wurde von Stadtplaner Adolph von Vagedes persönlich genehmigt. Voraussetzung war, „dass …“ sie „… keinen Rücken [Wölbung] in das Straßenbild bringe und die Brückenbahn zwischen den mit 6 Zoll dicken Quadern zu deckenden Brustmauern die ganze Breite der neuen Straße befasse“.
Heute erinnert im Straßenbild nichts mehr an den ehemaligen Evertsturm bzw. die Stadtbefestigung und das Gebiet nördlich davon ist durch den Siebziger-Jahre-Bau des Parkhauses völlig verfremdet.
Dr. Julia Obladen-Kauder

Literatur
Georg Opdenberg, Stadtrundgang durch das mittelalterliche Krefeld; in: die Heimat, Jg. 68, 1997, Seite 122-130;
Karl Rembert, „Wassersorgen“ im alten Krefeld; in: Die Heimat, Jg. 22, Heft 1-2, Seite 50-53;
Der Evertsturm und Letzte Worte des Evertsturmes; in: Die Heimat, Jg. 1, Heft 1, Seite 48;
Guido Rotthoff; in: Krefeld. Die Geschichte der Stadt. Von der Frühzeit bis zum Mittelalter (Krefeld 1998), Seite 332-335.

Zimmermann, Die Heimat, Jg. 1, Heft 1, 1921, Seite 48
Zimmermann, Die Heimat, Jg. 1, Heft 1, 1921, Seite 48
Plan (Ausschnitt): Georg Opdenberg, die Heimat, Jg. 68, 1997, Seite 126
Plan (Ausschnitt): Georg Opdenberg, die Heimat, Jg. 68, 1997, Seite 126
Plan (Ausschnitt): Georg Opdenberg, die Heimat, Jg. 68, 1997, Seite 122
Plan (Ausschnitt): Georg Opdenberg, die Heimat, Jg. 68, 1997, Seite 122
Gemälde Heinrich Koch (1804-1893): Die Heimat, Jg. 1, Heft 1, 1921, Seite 48
Gemälde Heinrich Koch (1804-1893): Die Heimat, Jg. 1, Heft 1, 1921, Seite 48

August 2021

50 Jahre Hochschule Niederrhein

Der Startschuss fiel im Sommer 1971: Gemeint ist die damals neu gegründete, praxis- und wirtschaftsorientierte „Fachhochschule Niederrhein“, heute bekannt unter dem Namen „Hochschule für angewandte Wissenschaften“.
Die „Samt- und Seidenstadt“ Krefeld hatte bereits seit der zunehmenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert eine Ausbildungstradition im Textilwesen, die 1855 in die Gründung der „Höheren Webeschule Crefeld“ mündete. Im Bereich der Krefelder Textilindustrie findet man so manche bekannte „Bauhäusler“ wie Johannes Itten, Gerhard und Elisabeth Kadow und Georg Muche. Ein weiterer Vorläufer war die seit 1902 bestehende „Handwerker- und Kunstgewerbeschule“ (später: „Crefelder Werkkunstschule“), die sich aus der 1899 gegründeten „Paritätischen gewerblichen Schule“ entwickelt hat. Hier wurden nicht nur künstlerische Fachrichtungen, wie Malerei, Grafik oder Photographie sondern auch Architektur gelehrt. Bekannter Dozent des letztgenannten Lehrfachs war August Biebricher, dem wir zum Beispiel das Gymnasium am Moltkeplatz oder die Bauten an der Krefelder Rennbahn im Stadtwald zu verdanken haben.
Heute verfügt die Hochschule mit ihren Niederlassungen in Krefeld und Mönchengladbach über 10 Fachbereiche mit über 80 Bachelor- und Masterstudiengängen. Es gibt die Fachrichtungen Chemie, Design, Elektrotechnik/Informatik, Maschinenbau/Verfahrenstechnik, Oecotrophologie, Sozialwesen, Textil- und Bekleidungstechnik, Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsingenieurwesen und Gesundheitswesen. Aktuell sind über 14.000 Studierende zu verzeichnen.

Herzlichen Glückwunsch zum „runden“ Geburtstag!
Dr. Julia Obladen-Kauder

Literaturauswahl
Hermann Ostendorf, Die Gründung der Hochschule Niederrhein. „die Heimat“ Jahrgang 83, 2012, Seite 117-131;
Jürgen Schram, Professor Dr. Heinrich Lange – ein Pionier praxisnaher Forschung und Lehre. „die Heimat“ Jahrgang 84, 2013, Seite 150-152;
Hermann Ostendorf, Fachhochschule Niederrhein: die ersten 20 Jahre. „die Heimat“ Jahrgang 84, 2013, Seite 153-163.

Hochschule Niederrhein am Frankenring. Foto: Julia Obladen-Kauder
Hochschule Niederrhein am Frankenring. Foto: Julia Obladen-Kauder
Hochschule Niederrhein am Frankenring. Foto: Julia Obladen-Kauder
Hochschule Niederrhein am Frankenring. Foto: Julia Obladen-Kauder

Juli 2021

Nun erstrahlt das weit über die Grenzen der Stadt bekannte Krefelder Rathaus, das zuweilen mit dem „Weißen Haus“ in Washington verglichen wird, wieder in frischer Aufmachung. Für veranschlagte knapp zwei Millionen Euro wurde das einstige „Stadtschloss“ der Familie von der Leyen in den vergangenen Monaten saniert und renoviert. Den Vorplatz hat man mit einer neuen Pflasterung versehen. Eine Tendenz zur innerstädtischen Flächenversiegelung ist nach der Herrichtung des Josef-Beuysplatzes/Karlsplatzes Ende letzten Jahres leider nicht zu übersehen.

Krefelder Rathaus - Foto: Dr. Julia Obladen-Kauder
Krefelder Rathaus – Foto: Dr. Julia Obladen-Kauder

Das Stadtschloss wurde 1791 bis 1795 im Auftrag des preußischen Textilfabrikanten mennonitischen Glaubens Peter von der Leyen von dem Architekten Martin Leydel erbaut. Zuvor wurde einem Abbruch der westlich vorgelagerten Stadtmauer stattgegeben, um das so erweiterte Grundstück in die gärtnerische Gesamtgestaltung mit einzubeziehen. Später wurde der hier angelegte Park gegen den Willen der Familie von der Leyen durch den Westwall durchschnitten. Die Liegenschaft bestand aus einem zentralen Hauptgebäude und zwei separat stehenden Seitenflügeln, die zusammen eine u-förmige Anlage bildeten. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein wurden in Krefeld die Geschäfte aus Verwaltung und Politik in einem Gebäude mit bescheidenen Räumlichkeiten am Schwanenmarkt geführt. 1860, nach dem Tod der letzten Bewohnerin, Maria von der Leyen (1768-1857), kaufte die Stadt das Anwesen zum Preis von 25.000 Reichstalern und ließ das Gebäude für weitere 60.000 Taler umbauen bzw. herrichten.

Bis in die 1930er Jahre hat man die Liegenschaft durch den Anbau mehrerer Gebäudeflügel erweitert: 1891 entstand der nordwestliche Anbau durch Johann Burkart, 1934-36 der südwestliche Trakt durch Josef Walther Hollatz. Beim großen Luftangriff auf Krefeld wurde das Rathaus 1943 fast vollständig zerstört, nur ein Teil der Außenmauern blieb erhalten. Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg orientierte sich zweckmäßig an den Bedürfnissen einer modernen Stadtverwaltung, unter Wahrung der klassizistischen Optik. Im Bereich zur St. Antonstraße hin entstand Mitte der 1950er Jahre die bekannte Erweiterung des Bauhausschülers Hans Volger – seit 1952 Leiter des städtischen Hochbauamtes. In den 1980er Jahren errichtete man im Norden einen weiteren Trakt. Die Sanierung der Jahre 2020-21 umfasst die Erneuerung der Fenster und des Daches sowie die Renovierung der Fassade.

Einen schönen Stadtspaziergang wünscht Ihnen
Dr. Julia Obladen-Kauder

Literatur
Karl Rembert, Das Rathaus zu Krefeld. Die Heimat Jg. 1, Heft 1, 1921, S. 1-9;
Hans-Peter Schwanke, Architekturführer Krefeld (Krefeld 1996) S. 242-243;
Reinhard Feinendegen u. Hans Vogt (Hrsg.), Die Geschichte der Stadt Krefeld, Band 4 (Krefeld 2003) S. 551-552.

Juni 2021

Wer sehnt sich nicht danach, einmal wieder bei angenehmen
Temperaturen in der schönen Umgebung Krefelds zu wandern, die Natur und vielleicht auch die eine oder andere kulturelle Landmarke zu entdecken oder erneut aufzusuchen?

Eremitenquelle, Foto Dr. Julia Obladen-Kauder
Eremitenquelle, Foto Dr. Julia Obladen-Kauder

Da bietet sich ein Ausflug zum Hülser Berg geradezu an – ein Relikt aus der vorletzten Kaltzeit, als das Inlandeis die vor sich hergeschobenen Geröllmassen hier aufgestaut hat. Diese so genannten Endmoränen finden sich am linken Unteren Niederrhein bis in den Raum Nijmegen hinein und wurden schon vor tausenden von Jahren gerne als Siedlungsplatz ausgewählt. In der Verlängerung der Fahrstraße „Talweg“ führt am Fuße des Osthangs der Erhebung ein Waldweg gleichen Namens in Richtung Süden. Nach ca. 50-100 m biegt ein Pfad rechter Hand geradewegs nach oben, wo ungefähr auf halber Höhe, die Eremitenquelle liegt.
Es gibt mehrere Geschichten über ihren Namen: Er soll auf einen Einsiedler zurückgehen, der für seine heilkundige Behandlung von Menschen in der Umgebung bekannt war. Oder: Ein mit einem Fluch behafteter Ritter habe die Quelle per Hand ergraben müssen, um dem Teufel nicht ausgeliefert zu werden, nachdem er seine Frau ermordet hatte. Danach errichtete er eine Eremitenklause, von wo er den Menschen hilfreich zur Seite stand. Weitere Namen der Quelle sind „Jungfernpförtchen“ oder „Jungfernpöttchen“. Dies lässt an eine Verbindung mit Vermählungs- oder Fruchtbarkeitsriten denken.

Eremitenquelle, Foto Dr. Julia Obladen-Kauder
Eremitenquelle, Foto Dr. Julia Obladen-Kauder

Die Steineinfassung der Quelle wurde 1901 erbaut. Dieses Datum ist auf einem Inschriftenstein der Einfassung festgehalten, zusammen mit der Bezeichnung „Quelle des Eremiten“. Das Wasser, das bei ausreichendem Niederschlag hier sozusagen durch undurchlässige tonige Untergrundschichten gesammelt wird, tritt über eine steinerne Rinne aus. Oft ist die Quelle heutzutage allerdings mangels Niederschlägen vorübergehend versiegt.
Rund 50 Meter südlich der Eremitenquelle, jedoch ohne erkennbaren inhaltlichen Bezug dazu, existieren noch Reste einer eisenzeitlichen Befestigungsanlage. 1908-11 führte Prof. August Oxé hier Grabungen durch und legte ausschnitthaft einen Wall mit einem Doppelgrabensystem frei. Reste verbrannter Hölzer ließen auf eine kastenförmige fachwerkartige Holzkonstruktion schließen, die einstmals auf dem Wall errichtet und später durch ein Schadensfeuer zerstört worden war.
Viel Spaß beim Wandern wünscht Ihnen
Dr. Julia Obladen-Kauder

Literatur
Stefan Kronsbein, „Eremitenquelle am Hülser Berg”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-115816-20150227-4 (abgerufen am 25. Mai 2021)
Stefan Kronsbein in: „die Heimat“ 50, 1979, S. 56-58;
Bonner Jahrbücher 119, 1910, Berichte über die Tätigkeit der Provinzialmuseen in der Zeit vom 1. April 1908 bis 31 März 1909. S. 77f.;
Bonner Jahrbücher 122, 1913, Berichte über die Tätigkeit der Provinzialmuseen in der Zeit vom 1. April 1910 bis 31 März 1911. S. 65.

Mai 2021

Ein antiker Tempel in Krefeld: Rein zufällig geriet ich Anfang des Jahres 2021 einmal mehr in die Sendung „Hamzi mal ’ne Frage“ der WDR-Lokalzeit Düsseldorf. Dort hieß es: „Auf einer Wiese … steht ein Gebilde aus Stein, es ähnelt einem Altar oder einer Bühne. Warum steht es so verlassen und was steckt dahinter?“ Gezeigt wurde das Heiligtum im Stadtteil Elfrath, dessen Geschichte den wenigsten Bürgerinnen und Bürgern bekannt sein dürfte. Selbst Menschen aus der näheren Umgebung konnten bei der Befragung durch Hamzi Ismael keine Auskunft geben und mutmaßten „einen Bunker“, „eine Partystätte“ oder einen Ort, wo man „schwarze Messen“ feiern könne.  

Wer nun die Presse in den letzten Wochen aufmerksam verfolgt hat, konnte den Lokalnachrichten entnehmen, dass sich die teil-rekonstruierte Anlage in einem ziemlich desolaten Zustand befindet. Nun steht fest: sie soll wieder ansehnlich hergerichtet werden. Das wird allerdings auch höchste Zeit, da gerade die erhoffte Eintragung herausragender römerzeitlicher Fundorte am Niederrhein in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten im Jahr 2022 sowohl einen behutsamen Umgang mit Relikten unserer Vergangenheit als auch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen erfordert, auch wenn sie nicht direkter Bestandteil des Antrags sind.

Der Fundort im Winkel zwischen Charlottering im Süden und Werner-Voß-Straße im Westen war der Kommunalarchäologie im Museum Burg Linn durch die Fundmeldung eines ehrenamtlichen Mitarbeiters schon seit 1979 bekannt. Als man dort eine Bezirkssportanlage plante, wurden 1988 Ausgrabungen vorgenommen. Es sollte geklärt werden, ob es sich möglicherweise um den Standort eines römischen Gutshofes handelt, auf den einige Funde schließen ließen. Zum Vorschein kamen steinerne Fundamentreste, die überraschenderweise zu einem durch zwei Gräben umfriedeten, so genannten römerzeitlichen Podiumstempel gehören. Der heilige Bezirk umfasste ein Areal, das von einer zweiphasigen Grabenanlage eingefasst war. Des Weiteren wurden Fundamente eines Altars und ein Brunnen gefunden. Reste von Backöfen lassen auf die Bereitstellung von Brot während der zeremoniellen Handlungen schließen. Der Tempel war im 2. Jh. an der Stelle eines älteren Kultplatzes erbaut worden. Durch einen nur fragmentarisch erhaltenen Inschriftenfund wird er dem einheimischen Gott Hercules Deusoniensis zugewiesen – eine Gottheit, die einzig durch Münzen des Usurpators Postumus, erster Kaiser (260-269 n. Chr.) des gallischen Sonderreichs bekannt ist. Die Anlage wurde am Ende des 3. Jh. zerstört und nicht wieder aufgebaut.

Unmittelbar nach den Ausgrabungen erfolgte die Eintragung in die Denkmalliste der Stadt Krefeld. Es wurde außerdem beschlossen, die Grabungsergebnisse durch eine Rekonstruktion öffentlichkeitswirksam erlebbar zu machen und die Sportanlage abweichend von der ursprünglichen Planung weiter östlich zu bauen. Leider fehlt bis heute eine Informationstafel mit entsprechenden Erläuterungen, so dass zufällige Spaziergänger vor einem Rätsel stehen. Außerdem wird das Mauerwerk rundum seit Jahren mit diversen Graffitis verunziert. Umso erfreulicher ist die Nachricht, dass es einen Antrag der Bezirksvertretung Ost gibt: Die Anlage soll wieder hergerichtet und künftig sinnvoll genutzt werden. Denkbar seien etwa „Feste oder Märkte mit Bezug zur Römerzeit“ und die Aufstellung einer „passenden Beschilderung“ (WZ, 13. April 2021, S. 15).

Dr. Julia Obladen-Kauder

Literatur

Christoph Reichmann, Ein neues Heiligtum in Krefeld-Elfrath. In: Arch. Rheinland 1988 (Köln/Bonn 1989), S. 72-77;

ders., Die Heimat 62, (Krefeld 1991), S. 144-161.

1988: Grabungsfotos mit den Fundamenten des Podiumstempels

(Museum Burg Linn, Krefeld)

Gesamtplan (LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland nach Angaben Museum Burg Linn)

April 2021

Heinrich-Band-Weg | Foto: Dr. Julia Obladen-Kauder

Heinrich Band, Erfinder des Bandoneons: Die meisten Menschen dürften das Musikinstrument Akkordeon kennen. Auch die Konzertina („Concertina“) ist manchem Musikinteressierten ein Begriff. Weitaus weniger Zeitgenossen, darunter wahrscheinlich vorwiegend Krefelder und Krefelderinnen, haben jedoch schon einmal vom Bandoneon oder seinem Erfinder gehört.
Heinrich Band wurde vor genau 200 Jahren am 4. April 1821 in Krefeld als eines von 16 Kindern und zweitältester Sohn des Seidenwebers Peter Band und seiner Ehefrau Katharina geboren. Sein musikalischer Vater spielte häufig Geige bei Tanzveranstaltungen und gründete eine Musikalienhandlung, die Heinrich schon jung mit 21 Jahren übernahm. Er selbst spielte Cello. In seinem Verkaufssortiment befanden sich das Akkordeon und auch die Konzertina, die er zunächst aus Böhmen, später dann aus Chemnitz importierte. Band entwickelte daraus das nach ihm benannte Bandoneon, das sich durch eine größere Anzahl an Tönen auszeichnet: Aus den ursprünglich 54 Einzeltönen der Konzertina wurde so nach und nach ein Instrument mit 64, 88, 100 und schließlich 130 Tönen, das sich seinen Eigenschaften nach eher mit einem Harmonium vergleichen lässt.
Heinrich Band starb relativ jung mit 39 Jahren am 2. Dezember 1860 wahrscheinlich an Tuberkulose und erlebte den internationalen Siegeszug des von ihm entwickelten Instruments leider nicht mehr. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhundert gelangte das Bandoneon nach Argentinien, wo es bis heute in engster Verbindung mit dem Tango steht und damit in Musikerkreisen bzw. bei Liebhabern südamerikanischer Musik zu Weltruhm gelangte. In Europa wurde es seit dem beginnenden 20. Jahrhundert zum volkstümlichen Instrument, dessen Gebrauch durch die Nummerierung der Tasten auch ohne einschlägigen Unterricht erlernbar war. Es gründeten sich zahlreiche Vereine.
Die Stadt Krefeld ehrt seinen berühmten Sohn und sein Instrument durch ein erstmals 1985 durchgeführtes Bandoneonfestival, das seit 1996 regelmäßig in zweijährigem Turnus stattfindet. Nach Heinrich Band wurde zudem eine Straße hinter der Hochschule Niederrhein zwischen Hagerweg und Adlerstraße benannt.

Schöne Osterfeiertage wünscht Ihnen
Dr. Julia Obladen-Kauder

Die Heimat 19, 1949, S. 115-118;
Dieter Hangebruch, Bibliographische Daten zu Heinrich Band, unveröffentlichtes Manuskript, Krefeld 1986 (Stadtarchiv Krefeld);
Janine Krüger und Förderverein für das Kulturbüro der Stadt Krefeld e. V., Heinrich Band. Bandoneon. Die Reise eines Instruments aus dem niederrheinischen Krefeld in die Welt, Essen 2020.

März 2021

Die Egelsbergmühle
Die Egelsbergmühle

Die Egelsbergmühle: Nach den fast schon ungewohnten Bildern, die uns der Schnee nach einer langen Pause in diesem Jahr wieder einmal beschert hat, freuen wir uns jetzt auf den Frühling. Was liegt da näher, als ein schöner Spaziergang, um die ersten wärmeren Sonnenstrahlen zu genießen, die auch inzwischen Schneeglöckchen und Krokusse zum Leben erweckt haben. Ein immer lohnenswertes Ziel stellt für Naturliebhaber der Egelsberg mit seiner weithin sichtbaren Mühle dar.

In Krefeld kennen wir sechs Windmühlen, von denen zwei Bauwerke ursprünglich als Wehrtürme erbaut worden sind – die um die 1275 errichtete und um 1575 für die Getreideverarbeitung ausgebaute Geismühle in Oppum und den so genannten Uerdinger „Eulenturm“ von 1325/1330. Ursprünglich Bestandteil der Stadtbefestigung, nahm er in der frühen Neuzeit seinen Mühlenbetrieb auf und stellte ihn 1795 schon wieder ein. Die Egelsberg-, Elfrather-, Buß- und Fischelner Mühle existieren erst seit Ende des 18. bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts und waren noch bis in das 20. Jahrhundert hinein aktiv.

Der Egelsberg entstand in der vorletzten Eiszeit vor rund 250.000 Jahren, als das Inlandeis mächtige Erd- und Geröllmassen vor sich her bis an den Unteren Niederrhein schob. Nach der Eisschmelze blieben diese als deutlich sichtbare Erhebungen bzw. so genannte Endmoränen stehen. Die heute reizvoll anzuschauende Heidelandschaft wurde lange Jahre von den britischen Streitkräften als militärisches Übungsgelände genutzt und steht erst seit 1991 unter Naturschutz.

Die Ende des 18. Jahrhunderts in dieser erhöhten Lage erbaute gleichnamige Mühle wurde 1802 in Betrieb genommen und 1942 still gelegt. In ihren Anfangsjahren wurden ihre beiden Mahlwerke noch mit Wind, später dann elektrisch betrieben. Sie verfügt über insgesamt drei Stockwerke und erlitt gegen Ende des 2. Weltkriegs schwere Beschädigungen durch Artilleriebeschuss. Seit 2016 hat die Stadt Krefeld als Eigentümerin die Egelsbergmühle an den Traarer Bürgerverein verpachtet. Die 2018 begonnenen Restaurierungsarbeiten konnten im Außenbereich im Herbst 2020 erfolgreich abgeschlossen werden. Jetzt erstrahlt die Mühle wieder in schneeweißem Gewand mit neuer Dachhaube. Das Gebäudeinnere muss noch saniert werden, so dass hoffentlich bald dort wieder kulturelle Veranstaltungen stattfinden können.

Einen schönen Frühlingsanfang wünscht allen Leserinnen und Lesern
Dr. Julia Obladen-Kauder

Die Heimat 62, 1991, S. 168-169;
Die Heimat 67, 1996, S. 163-170;
H. Vogt, Niederrheinischer Windmühlenführer, Krefeld 1991².

Februar 2021


Prinzenwagen im Rosenmontagszug 1963 auf der Kreuzung Rheinstraße/Ostwall (Stadtarchiv Krefeld, Bestand 40/92, Nr. 1963_02_0667). Horten gab es damals noch nicht und man sieht im Hintergrund hinter der Prinzessin den Flachbau des Tivolihauses. Foto: Axel Gayk

Da wir ja im Jahr 2021 keine Möglichkeit haben, Karneval zu feiern, soll das damit verbundene Brauchtum und seine lokale Geschichte im Monat Februar wenigstens auszugsweise an dieser Stelle in Erinnerung gerufen werden.

Eine erste urkundliche Erwähnung findet sich für unsere Gegend bereits im Mittelalter, wo der 22. Februar 1357 als „Fastabend“ genannt wird. Offensichtlich hatte die Obrigkeit bereits früh ein Auge auf allzu ausschweifende Narreteien. Für 1447 ist jedenfalls bezeugt, dass der hiesige Schultheiß wegen diverser Verstöße Strafen verhängen musste. Damit allgemein, aber auch speziell im Karneval im Lande Ordnung herrschte, gab der Landesherr Graf Vinzenz von Mörs schon wenig später im Jahre 1461 quasi einen Bußgeldkatalog heraus: So kostete die in der Fastnacht übliche „Versteigerung“ junger Mädchen durch Krefelder Burschen, aus deren Erlös Tanzmusik und Getränke bestritten wurden, die nicht unerhebliche Strafe von 10 Gulden. Offensichtlich war es hier nicht immer bei harmlosen Tändeleien geblieben. Das karnevalistische Brauchtum war im Verlauf der Jahre auch zuweilen mit grausamen Riten verknüpft. Die Begriffe „Gänsereiten“ und „Hahneköppen“ sind dafür bezeichnend.
Erste Ansätze eines „Fastnachtszugs“, finden sich in der Zeit des Siebenjährigen Kriegs am Sonntag vor Aschermittwoch des Jahres 1761: Zwei mit Offizieren der französischen Besatzung belegte Kutschen fuhren an diesem Tage von Krefeld zu närrischen Feierlichkeiten nach Kempen. Die Soldaten waren karnevalistisch als Schäfer und Schäferinnen verkleidet. Dass man in der Franzosenzeit während der Fastnacht in Krefeld gerne und oft über die Stränge schlug, ist in den Tagebüchern des Abraham ter Meer der Jahre 1758-1769 nachzulesen. Während der napoleonischen Besetzung in der Zeit 1794-1815 war das Tragen von Masken mindestens ab 1799 untersagt und später in preußischer Zeit nur nach Erwerb einer Tageskarte gestattet, um Übeltäter schnell dingfest machen zu können.
Nachdem 1828 die ersten Krefelder Karnevalsgesellschaften gegründet worden waren, dauerte es noch viele Jahrzehnte bis regelmäßig ab 1897 (in Uerdingen bereits ab 1875) Rosenmontagszüge organisiert wurden. Einzige Ausnahme stellt das Jahr 1873 mit dem zu Ehren des 500. Stadtjubiläums aufgestellten Zug dar. Häufig gab es größere Unterbrechungen. Der bekannte Krefelder Künstler und Bühnenbildner Fritz Huhnen beschreibt anschaulich, wie die Klasse „Bertlings“ in der Kunstgewerbeschule die Wagen des letzten Karnevalszuges vor der durch den Ersten Weltkrieg verursachten Pause entwarf: „Am Rosenmontag rollten unsere Schöpfungen, an die wir bis in der Früh mit Hand angelegt, durch die Straßen […]. Stadthalle, Hafen, Linner Burg und […] Theaterwagen mit dem wallenden Vollbart des Architekten Buschhüter vorneweg. Der Prinz, damals noch ohne Prinzessin und damit jeder Frau eine Chance gebend, machte große Figur […].“ Weitere Unterbrechungen sind für die Jahre zwischen 1940 und 1949 sowie aus finanziellen Gründen auch zwischen 1954 und 1958 belegt. Aus dem Jahr 1950 gibt es im Krefelder Stadtarchiv drei Filme, die 2012 bei Aufräumarbeiten im Presseamt zutage kamen. Sie stellen ein wertvolles Zeitzeugnis dar, da sie nicht nur diverse Karnevalssitzungen und den ersten Rosenmontagszug nach dem 2. Weltkrieg zeigen, sondern währenddessen auch einzigartige Blicke gewähren auf das damalige Stadtbild mit den noch kriegsbeschädigten Fassaden und Baulücken.
Eine Karnevalsprinzessin gibt es übrigens erst seit 1935 mit Lilo Lange, Tochter des Seidenfabrikanten Hermann Lange, an der Seite von Prinz Fritz IV. (Huhnen).

Krefeld Helau
Dr. Julia Obladen-Kauder

ausgewählte Literatur
J. Martens, Die Heimat 10, 1931, S. 44-46;
K. Rembert, Die Heimat 12, 1933, S. 76-81;
R. Neuhausen, Die Heimat 68, 1997, S. 152-53;
O. Richter/D. Senger, Die Heimat 84, 2013, S. 108-11;
F. Huhnen, Gute, Böse und Krefelder, Krefeld o. Jahresangabe, S. 108-109;
R. Neuhausen, Krefeld Helau, Krefeld 1977;
A. Döring in: R. Feinendegen/H. Vogt (Hrsg.), Krefeld. Die Geschichte einer Stadt Bd. 5, Krefeld 2010, S. 693-697;
https://hkk-krefeld.de/vereine.html.

Programmmheft mit Veranstaltungen sowie Beschreibung von Wagen und Zugweg
Wagen 1: Creivelt im Jahre 1166 (urkundliche Erwähnung Crefelds)
Wagen 6: Verbrüderung des Seidenbarons mit dem Weber
Wagen 10: Prinzenwagen

Januar 2021

Der Pandemie geschuldet: Der (noch) menschenleere Karls- und Joseph-Beuys-Platz im Dezember 2020 (Foto: Julia Obladen-Kauder)

Karlsplatz – Josef-Beuys-Platz
Die Fertigstellung hat geraume Zeit gedauert und die Gestaltung vor dem Haupteingang des Kaiser-Wilhelm-Museums wurde immer einmal wieder öffentlich, häufig auch kontrovers diskutiert.

Karlsplatz und Museumsgebäude blicken auf eine bewegte Geschichte zurück. Ab 1835 begann der Regierungs- und Baurat Franz-Anton Umpfenbach mit den Planungen der so genannten siebten Stadterweiterung, die über die Vier Wälle des Adolph von Vagedes hinaus ging. In diesem Zusammenhang entstanden auch repräsentative Freiflächen, wie Louisen- oder Carlsplatz (später Karlsplatz), benannt nach Prinz Friedrich Carl Alexander, dem 3. Sohn von König Friedrich Wilhelm III. Der Carlsplatz diente damals als öffentlicher Raum für Wochen- und Jahrmärkte, Zirkusdarbietungen und andere Veranstaltungen. Im Jahre 1862 wurden dort sogar Wettbewerbe des Rheinisch-Westfälischen Verbandsturnfestes abgehalten. Berichte und Abbildungen über seine Nutzung finden sich in diversen Ausgaben des Vereinsjahrbuches, z. B. in:
„Die Heimat“ 6, 1927, S. 54 und S. 187-188,
„Die Heimat“ 10, S. 197 oder
„Die Heimat“ 24, S. 117.

Alte Postkarten zeigen ihn als riesige, von Bäumen gesäumte Freifläche und von herrschaftlichen Häusern eingefasst. Einige Zeit nach dem Bau des monumentalen Kaiser-Wilhelm-Museums, das am 6. November 1897 seine Eröffnung feierte, wurden die beschriebenen Aktivitäten eingestellt. Der Karlsplatz ist fortan gegliedert in schmucke Blumen- und Raseninseln, die von schmiedeeisernen Zäunen eingefasst sind. Zu Ehren des 1921 in Krefeld geborenen Künstlers erhielt ein großer Teil des Museumsvorplatzes 2016 den Namen Joseph-Beuys-Platz (https://geoportal-niederrhein.de/krefeld/geoportal/).

Im September 2020 wurden Karls- und Joseph-Beuys-Platz nach einer mehrjährigen Sanierungsphase der Öffentlichkeit übergeben, nachdem der städtische Fachbereich Tiefbau die Realisierung der Planungen übernommen hatte. Dazu heißt es in der Lokalpresse: „Der künftige Platz … soll als ein riesiger «Seidenteppich» wirken. Entsprechend hellanthrazit wurde die Pflasterung ausgewählt. Sogar einen durchziehenden «Seidenfaden» weist die Planung auf, in Form einer Metallschiene, die sich bis zur gegenüberliegenden Wohnbebauung erstreckt. Rechts vom Museumseingang ist ein Feld von Wasserfontänen vorgesehen. Das sieht toll aus und schafft im Sommer sogar Abkühlung“ (Ernst Müller in: www.mein-Krefeld.de; Ausgabe 31.5.2019).

Der Museumsvorplatz erscheint nun rechtzeitig zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys im Jahre 2021 in neuem Gewand. Hoffen wir, dass er in Zukunft von vielen Menschen bevölkert werden wird!

Ein gutes Neues Jahr wünscht Ihnen
Dr. Julia Obladen-Kauder


Dezember 2020

links: „Drahtseilakt“ 1957. Die Weihnachtsbeleuchtung wird quer über die Straße gespannt. Im Hintergrund die Dionysiuskirche, rechts: Die Königstraße mit Blick auf den Kaufhof 1964 in vorweihnachtlicher Stimmung. Bilder: Stadtarchiv Krefeld

Wer erinnert sich nicht gerne an einen vorweihnachtlichen Besuch der Krefelder Innenstadt in Kindertagen? Die vielen, quer über die Straße gespannten Lichter, die festlich geschmückten Schaufenster mit den schönen Auslagen, die Wünsche und Sehnsüchte weckten! Welcher Erwachsene macht nicht auch heute noch gerne einen abendlichen Bummel durch die festlich geschmückten Straßen?
Wer aber hat sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, seit wann es eine festliche Weihnachtsbeleuchtung in unserer Heimatstadt überhaupt gibt? Über das Thema bin ich zufällig im Krefelder Stadtarchiv „gestolpert“, als ich mir bei der Suche nach heimischen Adventsbräuchen alte Zeitungsartikel anschaute. In der Westdeutschen Zeitung vom 6. Dezember 1952 las ich dann: „Es war im Jahre 1927, als der bekannte Krefelder Blumenhändler Oskar Schwertschlager seinen Freunden Karl Gierlichs, ebenfalls Blumenhändler, Willy Klever, dem heutigen Geschäftsführer des Krefelder Einzelhandelsverbandes … und Karl Stenders, dem Beleuchtungsfachmann im Krefelder Stadttheater den Plan entwickelte, die Festlichkeit der weihnachtlichen Schaufensterauslagen durch weihnachtlichen Straßenschmuck zu unterstreichen. … Es wurde ein stilisierter Lichtträger in Gestalt eines Weihnachtsbaumes … am Bordstein aufgestellt … und bis zur Hausfront … Tannen- und Lichtgirlanden gezogen, so dass die Passanten wie unter einem freundlichen Laubengang wandelten.“ Der überwältigende Erfolg blieb nicht aus, und mehr noch: „Von Krefeld aus traten diese Bäumchen und Girlanden von Jahr zu Jahr mehr ihren Siegeszug durch ganz Deutschland an.“

Sicher werden auch andere Orte die Urheberschaft dieses schönen Brauchs für sich beanspruchen. Wir freuen uns aber, dass unsere Heimatstadt bis heute unverändert daran festhält und es überdies neue stimmungsvolle Ideen gibt, wie auch in diesem Jahr wieder die mit Leuchtringen illuminierten Bäume.

Eine schöne Adventszeit wünscht Ihnen
Dr. Julia Obladen-Kauder